Abstinenzorientierung versus Kontrolliertes Trinken
Die BWAG verwirklicht ihren Auftrag auch dadurch, dass sie Stellung bezieht zu Suchtthemen, die ihre Mitglieder aus eigener Erfahrung kennen und die für von Sucht betroffene Menschen relevant sind.
In letzter Zeit wird in den Medien immer wieder über Medikamente und Angebote zum Erlernen des sogenannten „kontrollierten Trinkens“ als einer Alternative zur Alkoholabstinenz gesprochen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die BWAG spricht sich gegen derartige Ansätze aus.
Mehr noch, sie hält es für gefährlich, solche Theorien zu verbreiten. Selbst wenn teilweise darauf hingewiesen wird, dass sich "kontrolliertes Trinken" bei bestimmten Indikationen nicht realisieren lässt, kann es bei Betroffenen falsche Hoffnungen wecken. Wenn man sich vorurteilsfrei und offen des Themas annimmt, gibt es einige Vorteile, welche für das kontrollierte Trinken sprechen könnten. Ein Aspekt dürfte sein, dass das kontrollierte Trinken preisgünstiger ist als eine Langzeittherapie. Und dass es eben nicht um Abstinenz und die Gesundung der Betroffenen geht, sondern darum, diese Menschen wieder als Beitragszahler für die Rentenversicherung zu gewinnen. Ob durch diese Konzepte wie erhofft mehr als 10-15% der Gefährdeten und Abhängigen erreicht werden, wird sich noch herausstellen müssen. Ein weiterer Aspekt ist der Betroffene selbst. Viele können sich, zumindest anfänglich, eine vollständige Abstinenz nicht vorstellen. Dies führt dazu, dass sie sich auch nicht vorstellen können, sich überhaupt auf eine Therapie einzulassen. Kritisch anzumerken ist, dass in Bezug auf die Phasen der Alkoholsucht das „Trinken nach einem bestimmten Schema", wie es Konzepte kontrollierten Trinkens sind, ein fast fester Bestandteil der sogenannten kritischen Krankheitsphase ist. In dieser Phase sind die Betroffenen jedoch bereits in ihrer Sucht gefangen. Und nur die Abstinenz könnte das Fortschreiten der Erkrankung stoppen. Der Versuch, das Trinkverhalten zu „kontrollieren", macht deutlich, dass bereits ein Kontrollverlust eingetreten ist. Und dann wird versucht, wieder die „Kontrolle“ zu gewinnen. Dies führt jedoch weder zu einer Befriedigung des Trinkverlangens noch zum Ausblenden des Saufdrucks. Diese Vorgehensweise stellt vielmehr immense Anforderungen an die Selbstdisziplin des Betroffenen, es muss mühsam erlernt werden und ist sehr anstrengend, denn die Gedanken kreisen ständig um die nächste „Trinkerlaubnis“. Der Kontrollversuch lässt sich mit einer harten Diät vergleichen, wo nach allgemeiner Erfahrung bekannt ist, dass sie sich nicht sehr lange durchhalten lässt. Somit ist das „Kontrollierte Trinken“ für die Betroffenen mehr eine Qual als ein Nutzen und eine Entspannung. Es ist ein nie enden wollender Kampf. Viele trockene Alkoholiker meinen, nach einer kürzeren oder längeren Abstinenzphase wieder mit Alkohol umgehen zu können. Und nicht wenige verfallen gerade durch entsprechende Publikationen über "Kontrolliertes Trinken" in diesen Irrglauben. Die neuen Therapiekonzepte, welche Reduktion und moderaten Konsum zum Ziel haben, verlängern jedoch meistens den Suchtverlauf. Und die Familien, Partner und Kinder müssen die Last und die Kosten tragen. Daher warnt die BWAG suchtkranke Menschen ausdrücklich davor, „Kontrolliertes Trinken" auszuprobieren. Sie rät, stattdessen Hilfe in einer Suchtberatungsstelle zu suchen und sich über Therapiekonzepte mit dem Ziel der Abstinenz und Gesundung zu informieren. Ein abstinenzorientiertes Konzept ist für folgende Personengruppen unabdingbar: * Menschen mit körperlichen Schäden, welche durch weiteres Trinken verschlechtert werden könnten * Menschen mit schweren Entzugserscheinungen * Menschen, die unter Alkoholeinfluss extreme Verhaltensweisen zeigen * Werdende und stillende Mütter * Menschen, die Medikamente einnehmen, die nicht mit Alkohol kombiniert werden dürfen Nach einer Therapie sollte unbedingt die weitere Stabilisierung mit Hilfe einer Selbsthilfegruppe erfolgen. In Selbsthilfegruppen treffen sich von Sucht betroffene Menschen mit ähnlichen Erfahrungen. Hier kann man sich orientieren und neue Freundschaften und Beziehungen knüpfen. Diese „Nachsorge“ und neue „Verankerung“ wurde für viele ein entscheidender Faktor für ein neues und suchtmittelfreies Leben. Alles andere ist ein Kampf mit dem Suchtmittel, den der Betroffene nicht gewinnen kann. Freiheit beginnt dort, wo die Sucht endet. Ladislaus Toth, Kreuzbund Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart