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Handbuch

Suchtberatung (PSB) als Leistung der öffentlichen Daseinsvorsorge

Suchtberatungsstellen haben eine doppelte historische Entwicklung: zum einen sind sie das Ergebnis langjähriger Bemühungen aus der Freien Wohlfahrtspflege um suchtkranke Menschen, zum anderen entspringen sie dem kommunalen Engagement in der Fürsorge und Sozialhilfe.

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich verschiedene Abstinenzlerbewegungen etabliert als Vorläufer einiger bis heute bestehender Suchtselbsthilfeverbände. Diesen Bewegungen ging es darum, Suchtkranke vor dem Teufel Alkohol zu retten und die Menschen damit wieder zu nützlichen Mitgliedern in den Familien und am Arbeitsplatz werden zu lassen. Den Akteuren der Sozialfürsorge und Sozialhilfe in den Kommunen ging es v.a. darum, suchtkranke Menschen und ihre Familien soweit irgend möglich aus dem Teufelskreis permanenter Hilfebedürftigkeit herauszuholen durch die Vermittlung von Heilstättenaufenthalten. Zielperspektive war damit also etwas, das man heute als „Teilhabeorientierung“ beschreiben könnte.

Mit dem Auftreten der ersten Drogenwelle in den 60er und 70er Jahren kam zu diesem Teilhabeinteresse der öffentlichen Hand auch ein starkes ordnungspolitisches Interesse: es galt, die Präsenz von Drogenkonsumenten im öffentlichen Raum und damit die Verängstigung der Bürger zu reduzieren. Gleichzeitig war deutlich, dass trotz der Anerkennung von Sucht als behandlungsbedürftiger Krankheit sich die Bereitschaft und Kompetenz der Ärzte nicht auf die Schnelle würde dafür gewinnen lassen, ein qualifiziertes Beratungs- und Vermittlungsangebot aufzubauen. Im Gegenzug war aber auch deutlich, dass – durchaus bedingt durch die historischen Erfahrungen der Nazizeit – Suchtkranke und deren Angehörige auch außerhalb der Arztpraxen einen Ort brauchen, an dem sie sich voraussetzungslos und notfalls im Schutz der Anonymität Hilfe holen können.

Die Suchtberatung als Leistung der öffentlichen Daseinsvorsorge ist demnach ein Angebot,

  • Um Menschen frühzeitig über Suchtrisiken und deren Bewältigung zu informieren
  • Um betroffenen Menschen einen voraussetzungslosen Zugang zu Hilfen und notwendigen Behandlungsmaßnahmen zu ermöglichen und eine wirksame Inanspruchnahme solcher Hilfen sicherzustellen
  • Um das öffentliche Interesse nach Sicherheit, Ordnung und persönlichem Schutz durch Kontakte mit den betroffenen Menschen und in der Szene zu ermöglichen und zu unterstützen.

Zwar gibt es im Rahmen der einzelnen Landesverfassungen grundsätzlich einen Anspruch des Bürgers auf die Ermöglichung gleichwertiger Lebensverhältnisse; es gibt aber im Gegensatz zu den Sozialgesetzbüchern bei Leistungen der „Daseinsvorsorge“ keinen individuellen Rechtsanspruch darauf, dass bestimmte Hilfeleistungen „bedarfsgerecht“ und umfassend zur Verfügung gestellt werden. Zu den Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge zählen alle Leistungen, die für das Zusammenleben im Gemeinwesen notwendig oder förderlich sind, vom Straßenbau über die Wasserversorgung und das Angebot an Schulen und öffentlichen Einrichtungen bis hin zu sozialen Dienstleistungen wie der Suchtberatung. Daseinsvorsorgeleistungen sind jeweils politisch definierte Leistungen und orientieren sich an deren Nutzen für das Allgemeinwohl. Insofern haben Land und Kommunen im Rahmen ihres Finanzierungsanteils eine umfassende Steuerungsbefugnis (vgl. Finanzierung Suchtberatung).

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