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Handbuch

Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten

Es ist ein vielfach propagiertes Forschungsergebnis, dass Menschen mit Suchtstörungen in den gesundheitsbezogenen Hilfesystemen am häufigsten in den Praxen niedergelassener Ärzte aufzufinden sind. Allerdings wird diese Tatsache angesichts einer jahrzehntelangen Kooperationserfahrung, bei der bestenfalls Patienten mit eindeutigen Abhängigkeitssymptomen an Fachdienste der Suchthilfe und der Suchtmedizin weitervermittelt wurden, häufig zu einseitig bewertet. Sicher geht es zum einen um Patienten, bei denen schwere gesundheitliche Schädigungen / Beeinträchtigungen offensichtlich sind, bei denen der Suchtmittelmissbrauch ursächlich oder verstärkend ist. Auch aufgrund der eigenen Lebenserfahrung dürfte es vielen Akteuren der Selbsthilfe deutlich sein, dass es keineswegs einfach ist, Patienten zu einem solchen Schritt zu bewegen – das ist bei anderen Krankheiten ganz ähnlich, die nicht wie die Sucht mit Angst, Scham und Sorge um soziale Ausgrenzung verknüpft sind. Ganz entscheidend sind dabei die Perspektiven einer solchen Weitervermittlung. Im Projekt einer ambulanten Alkoholentgiftung IAK der PSBs Bietigheim ist es gelungen, in kurzer Zeit fast ein Drittel aller niedergelassenen Ärzte im Landkreis zu einer patientenbezogenen Zusammenarbeit zu gewinnen, bei der sich die PSB in erster Linie als Dienstleister für den Arzt und den Patienten verstand und eben nicht als Vermittler für weiterführende Behandlungsmaßnahmen. Tatsächlich gibt es bis heute nur sehr wenige solcher Überweisungswege, die als gemeinsames Behandlungsangebot für den Patienten konzipiert sind und den Patienten nicht gleich auf einen vordefinierten Entwicklungsweg festzunageln versuchen. Und es gibt nur sehr wenige solcher Überweisungswege, die auch der wirtschaftlichen Realität einer niedergelassenen Praxis gerecht werden. In der heutigen Praxissituation brauchen Ärzte auch Patienten, für die zwar Leistungen abrechenbar sind, die aber – aufgrund einer funktionierenden Kooperation – dennoch nur begrenzt eigenen Zeitaufwand nötig machen. Zudem brauchen Ärzte aufgrund ihrer Betriebsstruktur Kooperationsformen, die dem Arzt kurzfristig und komprimiert alle nötigen Informationen zur Verfügung stellen, damit er in den wenigen Minuten des Behandlungskontakts nächste Schritte entscheiden oder empfehlen kann. Solche Informationen müssen so präzise sein und alle relevanten Rahmenbedingungen berücksichtigen, dass der Arzt damit eine hinreichend gesicherte Entscheidung treffen kann.

Mindestens genauso wichtig wie eine Weitervermittlung unmittelbar behandlungsbedürftiger Patienten ist eine Früherkennung von Patienten mit einem gesundheitsgefährdenden Suchtmittelmissbrauch.

 

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