Sie befinden sich hier:

Handbuch

Kommunale Suchthilfenetzwerke KSHN

Mit der fachlichen Qualifizierung der ambulanten Suchthilfe hat sich das lange Zeit vorherrschende Versorgungsmodell wesentlich verändert, in dem die „eigentliche“ Suchtbehandlung in den wohnortfernen Fachkliniken stattfand, während die Strukturen vor Ort sich auf die „Gewinnung für eine Behandlung“ und auf Suchtpräventionsaktivitäten konzentrierten. Je mehr eben nicht nur sozial und gesundheitlich schwer beeinträchtigte und auffällige Suchtkranke in den Blick genommen wurden, umso mehr galt es, geeignete Formen einer Früherreichung suchtgefährdeter Menschen zu entwickeln, gleichzeitig aber auch erste Signale einer suchtbezogenen Auffälligkeit möglichst konsequent für Probleminterventionen zu nutzen: Kooperationen mit der Führerscheinstelle und Betrieben, aber auch mit allgemeinen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten rückten stärker in den Blick. Die Etablierung der kommunalen Suchtbeauftragten war ein erster Ansatz, um solche fachlichen Vernetzungsprozesse im kommunalen Rahmen zu fördern.

Mit der Weiterentwicklung insbesondere der medizinischen Versorgungsstrukturen (Substitutionsbehandlung, Psychiatrische Institutsambulanzen PIAs, suchtmedizinische Tageskliniken, integrierte Versorgungsmodelle) wurde aber deutlich, dass solche Entwicklungen sich überwiegend aus der Wahrnehmung und Handlungslogik der Sozialleistungsrechte ergaben, dass es aber kaum eine Abstimmung der Entwicklungen zwischen den einzelnen Versorgungsbereichen gab, z.B. in der Suchtreha und in der Suchtmedizin, oder auch in der Suchtberatung und in der Eingliederungshilfe. Eine ganze Reihe von innovativen Hilfen ist in der Vergangenheit an solchen ungelösten Schnittstellenfragen zwischen den einzelnen Leistungsrechten gescheitert.

Wenn die Suchthilfe deshalb an personenzentrierten und alltagsnahen Hilfen für abhängige und suchtgefährdete Menschen interessiert ist, sollte sie nicht länger auf ein einheitliches und in sich schlüssiges Leistungsrecht warten, sondern sie muss versuchen, dort wo Menschen nicht nur als anonymer Fall und Kostenfaktor sichtbar werden, die Akteure der verschiedenen Versorgungssysteme unter der Zielsetzung zusammenzubringen, dass es um eine effiziente, nahtlos vernetzte, bestmöglich wirksame und den Bedürfnissen der Menschen gerecht werdende Hilfe gehen muss. Solche ersten intensiven Kooperationserfahrungen z.B. in Konstanz haben gezeigt, dass auch ohne neue zusätzliche Finanzierungsmittel bereits mögliche Entwicklungsoptionen wirksam miteinander verknüpft werden können, zum Vorteil aller Beteiligten.

Um solche Entwicklungsmöglichkeiten aber nicht nur von einzelnen engagierten Personen abhängig bleiben zu lassen, entwickelte das Sozialministerium mit einer Arbeitsgruppe das Konzept der Kommunalen Suchthilfenetzwerke als einem freiwilligen Netzwerk aller in der jeweiligen Kommune mit abhängigen Menschen befassten Institutionen und Kostenträger. Die Steuerungsverantwortung in und für diese Netzwerke sollte die jeweilige Kommune übernehmen, da sie von positiven Entwicklungen und der Stabilisierung der Klienten bei ihrer eigenen Leistungszuständigkeit selber „profitiert“. Kein Akteur ist zu einer Teilnahme verpflichtet, sondern alle müssen von der Sinnhaftigkeit einer Beteiligung überzeugt werden. „Pflichtteilnehmer“ sind die PSBs und die Zentren für Psychiatrie, weil das Land einerseits die PSB-Förderung von einer Beteiligung an den KSHN abhängig macht und andererseits auf die ZfPs einen gewissen Steuerungseinfluss hat.

Vereinzelt verstehen sich diese inzwischen überall formal etablierten Netzwerke eher als Interessenverbünde der Leistungserbringer. Politisch gewollt ist allerdings eher ein Netzwerkmodell, in dem Trägerinteressen auch hinterfragt werden sollen auf ihre Bedeutung für die Hilfe suchenden Menschen. Andere Netzwerke arbeiten eher im Sinne einer Hilfeplankonferenz, also als auf den einzelnen Fall bezogene Abstimmung der Hilfeleistungen: so sinnvoll / notwendig das sein kann, sollen die KSHN doch in erster Linie der Versorgungssteuerung dienen, also der bedarfsorientierten Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen.

Meist ist der Teilnehmerkreis beschränkt auf die unmittelbaren Akteure der Suchthilfe; damit fehlen aber im Sozialraum wichtige Kooperationspartner wie z.B. Jobcenter, Familienhilfe, Jugendämter, Wohnungslosenhilfe, Angebote für Chroniker. Manchmal sind diese Gremien auch sehr groß: es fehlen klare Mandatierungsregeln für einzelne Bereiche, um auch effizient arbeiten zu können.

Seite drucken