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Die BWAG stellt sich vor

Gemeinsame Wege führen weiter

Suchtselbsthilfe und Suchthilfe Partner im Versorgungssystem

 

Die BWAG stellt sich vor

Die Suchtselbsthilfe spricht heute mit einer Stimme. Doch wie war es dazu gekommen?

Vor ca. 22 Jahren hatten sich sieben Selbsthilfeverbände Baden-Württembergs zur BWAG zusammengeschlossen, zur „Baden-Württembergischen Arbeitsgemeinschaft der Selbsthilfe- und Abstinenzverbände“.

Am Anfang stand der Wunsch, als Selbsthilfe besser gehört zu werden. Dazu brauchte es den internen Erfahrungsaustausch und gegenseitige Unterstützung.

Weiter bestand das Anliegen, in der Öffentlichkeit an der Bewusstseinsbildung zur Situation betroffener Menschen und Familien mitzuwirken.

Damals war die Welt der Suchthilfe noch einigermaßen „in Ordnung“, obwohl am Horizont der Kostenträger und Therapiekonzepte schon erste graue Wolken aufzogen. Doch zunächst ging die Alkoholtherapie noch sechs Monate – natürlich stationär – und die Medikamenten- und Drogentherapie neun Monate. Und in den Beratungsstellen und Kliniken wurden die Patienten darauf programmiert, nach Therapieende eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen oder – sollten sie keine finden – eben selbst eine zu gründen. Und diese Strategie hat bestens funktioniert.

Keine Sorge, wir bleiben in der guten alten Zeit nicht hängen, wir erliegen diesem wehmütigen Rückblick nur noch relativ selten. Und doch muss es ab und zu sein, denn dort liegen unsere Wurzeln. Von dort her leben wir und diese Prägung stabilisiert viele von uns bis heute.

Die Option einer ambulanten Reha war für die Selbsthilfe neu und zunächst schlicht und ergreifend indiskutabel – bis im Lauf der Jahre immer mehr Betroffene in die Gruppen kamen, die eben diese und andere neuere Therapiekonzepte durchlaufen hatten. Und damit wuchs die Akzeptanz auch innerhalb der Selbsthilfe.

Mit den Veränderungen in der Therapielandschaft erkannten wir zunehmend die Notwendigkeit, uns aus Betroffenenperspektive dort zu Wort zu melden, wo es um Fragen der Versorgung suchtkranker Menschen und ihrer Familien geht.

So handelte eines der ersten öffentlichen Statements vom Stellenwert der Abstinenz: Da gab es doch tatsächlich ein paar hauptamtliche Exoten, die den Königsweg der Abstinenz in Frage stellten.

Das löste Empörung aus, denn die Abstinenz war – und ist bis heute – unsere unbestrittene Zielsetzung. Diesen Weg auch nur geahnt zu verlassen, macht Angst. Vor allem auch bei den Angehörigen. Und derselben Angst begegnen wir immer wieder im Zusammenhang der Diskussion um kontrolliertes Trinken.

Ein weiterer Aufschrei mit Statement an die Öffentlichkeit folgte auf die Diskussion auf Seiten der Kostenträger, dass man die Arbeitstherapie eigentlich einsparen könne.

Viele Ehemalige waren der Meinung, dass besonders die Arbeitstherapie ihnen geholfen habe, fit für den Lebensalltag zu werden. Denn dort lernten sie – nach eigener Aussage – wieder in Strukturen zu leben. Und sie erlebten dies als sehr hilfreich.

Eher hinter den Kulissen begann ums Jahr 2000 die Diskussion, wie wir Drogenabhängige in die von Alkoholkranken dominierten Selbsthilfegruppen integrieren könnten.

Da gab es viele Ängste, doch inzwischen ist es in einer ganzen Anzahl von Gruppen selbstverständlich, dass Drogenabhängige dazu gehören. In der Diskussion erkannten wir auch, dass bereits mehr Drogenabhängige bei uns integriert waren – auch auf der Mitarbeiterebene – als wir gedacht hatten.

Zur Diskussion, ob an Tankstellen nachts Alkoholika verkauft werden dürfen, hatten wir natürlich auch eine Meinung und ließen eine Pressemeldung raus ...

... mit einem klaren NEIN, denn wir BWAG-Delegierten wissen aus eigener Erfahrung, dass gerade in den Nachtstunden die Vorräte sozial unauffällig aufgefüllt werden, indem jedes Mal bei einer anderen Tankstelle eingekauft wird.

Den Hammer landete die BWAG im Juni 2009 mit ihrer Resolution, in der sie die Entwicklungen in der Therapielandschaft mit den ständig weiteren Kürzungen und veränderten Therapiekonzepten, die dazu noch als fortschrittlich verkauft wurden, heftig kritisierte.

Sie erhob deutlich ihre Stimme FÜR die Betroffenen, denn die Akteure der konzeptionellen Veränderungen gestalteten FÜR und redeten ÜBER die Betroffenen, ohne diese zu hören.

Das Papier schlug Wellen bis auf die Bundesebene und die Reaktionen der Angesprochenen waren vielfältig und gingen von vehementer Ablehnung über volle Zustimmung bis hin zu differenzierten Reaktionen und der Suche nach einer gemeinsamen Gesprächsebene. Letztere waren für uns als BWAG die wertvollsten Reaktionen.

Ein halbes Jahr später, am 1.12.2009, fand der Runde Tisch bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV BW) in Stuttgart statt, wo Verantwortliche von Suchtverbänden, Fachdiensten, Kostenträgern und Landespolitik mit der BWAG über das Papier diskutierten. Und seither fanden viele weitere Gespräche statt, für die wir sehr dankbar sind. Wir haben den Eindruck, dass die Suchtselbsthilfe seither besser gehört und mit ihrer Erfahrung besser einbezogen wird.

Eine konkrete Folge der Resolutions-Diskussion war zum Beispiel die Einladung der DRV BW an Rainer Breuninger, an der Projektgruppe „Weiterentwicklung der Reha und Stärkung der Selbsthilfe“ mitzuarbeiten sowie die Anfrage des „Gesamtverbandes für Suchtkrankenhilfe der Ev. Kirche in Deutschland“ bei einer Tagung in Berlin das Wesen und Wirken der Suchtselbsthilfe zu präsentieren.

Das neueste Projekt – obwohl auch schon wieder einige Jahre auf dem Weg – ist die Betroffenenvertretung in den kommunalen Suchthilfenetzwerken (KSHN) der 43 Stadt- und Landkreise. Wir haben den Anspruch, dass die Selbsthilfe mit ihrer Betroffenenkompetenz mit am Tisch sitzt, wenn Belange suchtkranker Menschen verhandelt werden.

Denn es ist ein Unterschied, ob Suchtversorgung in guter Absicht vom Schreibtisch aus geplant wird oder ob die akute Not und konkrete Bedrohung betroffener Menschen direkten Einfluss auf Planung und Umsetzung der Suchtversorgung haben.

Die Mitwirkung der Betroffenenvertreter gelingt in den KSHN ganz unterschiedlich. In manchen Gremien sind sie selbstverständlich integriert ... in anderen scheinen sie eher als Störenfriede im Kreis hauptamtlicher Akteure erlebt zu werden.

Das Projekt Betroffenenvertretung war der Anlass, dass wir als BWAG unsere Website entwickelten. Darin machen wir unsere Arbeit transparent, stellen unsere Statements ins Schaufenster und werben für unsere Anliegen, denn wir wollen weitere Ehrenamtliche gewinnen, die dank ihrer persönlichen Entwicklung in der Selbsthilfe ein Stück gesellschaftliche Mitverantwortung übernehmen.

Ziel der BWAG ist und bleibt, das Wesen und Wirken der Suchtselbsthilfe mit ihren vielfältigen Möglichkeiten immer neu ins Blickfeld zu rücken und dafür zu werben, dass Kostenträger und Politik für die nötigen Rahmenbedingungen sorgen, damit WIR Ehrenamtlichen unseren Basisauftrag in den Gruppen und Verbänden tun können.

Die Verantwortlichen in den Fachdiensten fordern wir auf, den Betroffenen bewusst zu machen: Was sie mit therapeutischer Hilfe erworben haben, sind neue Weichenstellungen und eine Menge guter Impulse fürs Leben.

Doch für die Umsetzung und Bewährung im Alltag benötigen sie Begleitung, Ermutigung und oftmals ganz handfeste Hilfen – und das finden sie in der Solidargemeinschaft Gleichgesinnter in den Selbsthilfegruppen.

Dafür stehen wir, das wollen wir bekannt machen, dieses Angebot braucht die Unterstützung von Fachdiensten und Kostenträgern, von Politik und Medien – und Ihre Unterstützung aus den verschiedensten Suchtselbsthilfegruppierungen – damit wir viele weitere Menschen erreichen und sie die Chance für eine neue Lebensqualität bekommen.

Hildegard Arnold & Rainer Breuninger

Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe, Landesverband Württemberg e.V.

 

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