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Handbuch

Ambulante Suchtreha / Rehanachsorge

Über viele Jahrzehnte war es unstrittiger Standard, dass Suchtbehandlungen wohnortfern in Heilstätten oder später in Suchtrehaeinrichtungen durchgeführt wurden. Mit dem Aufbau der vom Land geförderten Suchtberatungsstellen wurden dann allerdings an die bisherigen für die Suchtkranken vor Ort zuständigen Fürsorger deutlich höhere Qualifikationsanforderungen gestellt (suchtspezifische Zusatzausbildungen). Nachdem diese Zusatzausbildungen für die Mitarbeitenden vergütungswirksam waren und von den Arbeitgebern nachhaltig gefördert wurden, gab es rasch eine große Zahl von ausgebildeten Suchttherapeuten, die natürlich auch in der täglichen Beratungsarbeit ihre Fachkompetenz über die gewohnte intensive Einzelbetreuung hinaus breiter nutzen wollten.

Seit Anfang der 80er Jahre entstanden deshalb in vielen Suchtberatungsstellen – orientiert an den damals gängigen gruppentherapeutischen Konzepten – ambulante Therapiegruppen, in denen Menschen betreut wurden, die aus unterschiedlichsten Gründen eine stationäre Suchtrehamaßnahme nicht in Anspruch nehmen wollten / konnten. Obwohl es an manchen Orten auch eine Einbindung von Selbsthilfegruppenleitern in diese ambulanten Behandlungskonzepte gab, wurden diese Angebote von der Selbsthilfe in aller Regel als Infragestellung der tradierten stationären Langzeitbehandlung und als Konkurrenz zu den eigenen Gruppenangeboten verstanden. Dies wurde noch dadurch verstärkt, dass mit der Professionalisierung der eigenen Behandlungsarbeit die Suchtberater den Anspruch auf Klientenschutz / Datenschutz deutlich konsequenter praktizierten und insofern die bis dahin üblichen “Fallgespräche“ über Klienten und Selbsthilfegruppenteilnehmer einschränkten.

Der kontinuierliche Anstieg der Fallzahlen in der Suchtrehabilitation, aber auch fachliche Überlegungen führten die Rehaleistungsträger dazu, dass sie Anfang 1991 in einer Empfehlungsvereinbarung diese ambulanten Behandlungsleistungen unter bestimmten Strukturvoraussetzungen als ambulante Suchtrehamaßnahmen anerkannten und finanzierten. Diese Finanzierung war allerdings über Leistungspauschalen so geregelt, dass die ambulante Reha faktisch nur in einer Mischkalkulation im Gesamtrahmen einer PSB zu realisieren war / ist mit der Folge, dass die PSB-Träger diesen Arbeitsbereich zwar als finanzielles „Zubrot“ sahen, aber eben nicht als ein nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu gestaltendes und v.a. auch zu entwickelndes Versorgungsangebot im regionalen Rahmen. Diese strukturelle Basis bedingte, dass es praktisch nirgends aus fachlich-betriebswirtschaftlichen Perspektiven eine Zusammenführung verschiedener Beratungsstellenträger zum Aufbau eines leistungsfähigen und qualifizierten Angebots ambulanter Suchtreha gibt und dass der Anteil ambulanter Suchtrehamaßnahmen trotz intensiven Werbens der Rehaleistungsträger inzwischen sogar deutlich hinter die Werte von vor zehn Jahren zurückfällt.

Ein Sonderfall ist die Rehanachsorge, die teilweise als (freiwillige) ergänzende rehabilitative Leistung, teilweise aber auch als Leistung ambulanter Reha verstanden wurde. Die Rentenversicherung steckt bei diesen Leistungen in einem strukturellen Dilemma: die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit solcher Leistungen, die neben einer Selbsthilfegruppenteilnahme zur Sicherung des Behandlungsergebnisses beitragen sollen, ist unbestritten, auch wenn es bislang selbst in unserem Bundesland, wo die DRV BW vor einigen Jahren die Pauschalsätze für diese Leistung verdoppelt hat, keine Leistungsevaluation für die Rehanachsorge gibt: wir können bislang nicht mit Zahlen belegen, inwiefern und durch welche Leistungen sich die Nachsorge lohnt und für welche Patientengruppen diese Unterstützung wirksam und sinnvoll ist. Völlig unklar ist beispielsweise, ob, wie und in welchem Umfang die Rehanachsorge wirksam zu einer beruflichen Reintegration beiträgt. Bislang wird die Rehanachsorge nach Schätzungen nur von etwa 10% der Rehateilnehmer genutzt.

Allerdings müssen solche Leistungen wohnortnah angeboten werden, damit Patienten sie nach einer stationären Maßnahme überhaupt nutzen. Aus diesem Grund werden in manchen Bundesländern die Strukturanforderungen an PSBs für diese Leistung deutlich geringer angesetzt als für die ambulante Reha. Dieser Trend soll ab 2016 bundeseinheitlich werden bei einer gleichzeitig für Baden-Württemberg dann wohl reduzierten Leistungsvergütung für die Nachsorge.

 

 

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